Podiumsgespräch „Trauma 1918?“
Anlässlich der Unterzeichnung des Waffenstillstandes von Compiègne vor 100 Jahren, der die Kampfhandlungen des Ersten Weltkrieges beendete, lud das Deutsche Marinemuseum im Rahmen des Begleitprogramms zur aktuellen Sonderausstellung „Die See revolutioniert das Land“ am Sonntag zu einem Podiumsgespräch ein. Der Kieler Marinehistoriker Dr. Dieter Hartwig und der Museumsleiter Dr. Stephan Huck diskutierten zur Leitfrage „Traum […]
16. November 2018
Anlässlich der Unterzeichnung des Waffenstillstandes von Compiègne vor 100 Jahren, der die Kampfhandlungen des Ersten Weltkrieges beendete, lud das Deutsche Marinemuseum im Rahmen des Begleitprogramms zur aktuellen Sonderausstellung „Die See revolutioniert das Land“ am Sonntag zu einem Podiumsgespräch ein. Der Kieler Marinehistoriker Dr. Dieter Hartwig und der Museumsleiter Dr. Stephan Huck diskutierten zur Leitfrage „Traum 1918?“ die Rolle der Marine in den Anfängen der Revolution und den Umgang der verschiedenen deutschen Marinen mit diesem Erbe.
Die Revolution von 1918, die durch die Meuterei der Matrosen angestoßen wurde, sei durch personelle Kontinuitäten im Marineoffizierskorps bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges als schändlicher Vorgang angesehen worden, der sich unter keinen Umständen wiederholen sollte, führte Dr. Hartwig aus. Zwar habe man in der Zwischenkriegszeit in Bezug auf die Menschenführung Lehren aus der Meuterei gezogen, eine selbstkritische Aufarbeitung der Mitschuld der Offiziere am Ausbruch der Revolution in Folge der Planungen eines letzten Flottenvorstoßes gegen England habe jedoch weder in der Reichs- noch der Kriegsmarine stattgefunden. Vielmehr sei der Marineoffiziersnachwuchs weiter im Geiste derjenigen Offiziere erzogen worden, die sich als Elite des Kaiserreiches verstanden hätten. Auf diesem Wege wirkten die grundsätzliche Ablehnung der Rolle der Marine in der Revolution und das Trauma auch bis in die Bundesmarine nach. Noch 1978 untersagte die Bundesmarine Offizieren die Teilnahme an einer Kieler Gedenkfeier zur Revolution in Uniform. Erst in den darauffolgenden Jahrzehnten setzte durch das Nachrücken jüngerer Offiziere ohne eigene Sozialisierung in der Kriegsmarine ein Umdenken in der Bundesmarine ein.
Die Volksmarine der Deutschen Demokratischen Republik sah sich hingegen seit ihrer Gründung 1960 in der Tradition der revolutionären Matrosen und setzte sich übereifrig mit den Geschehnissen am Ende des Ersten Weltkrieges auseinander. So wurden beispielsweise schon die Marineunruhen im Sommer 1917, die mit den Exekutionen der Matrosen Albin Köbis und Max Reichpietsch endeten, im Sinne der sozialistischen Ideologie umgedeutet und instrumentalisiert.
Auf die Frage, wo die Marine heute stehe, fand Dr. Dieter Hartwig eine klare Antwort: die Marine habe das „Trauma 1918“ überwunden. Heutigen Marineoffizieren sei das elitäre Standesdenken ihrer Vorgänger in der Kaiserzeit grundlegend fremd. Die Meuterei als militärische Gehorsamsverweigerung ist jedoch weiter ein Diskussionspunkt. Unter Berücksichtigung der Ursachen und der Folgen wird diese jedoch heute nicht mehr uneingeschränkt negativ bewertet. Das auch die Öffentlichkeit heute ein positiveres Bild der Meuterei und der Revolution hat, wurde zudem dadurch deutlich, dass aus dem Plenum Wortbeiträge auf die Diskussion folgten, welche die Bedeutung Wilhelmshavens in der historischen Auseinandersetzung mit der Revolution 1918 gerne stärker hervorgehoben wüssten.