Eine Ausstellung aus Anlass des 100. Jahrestags der Aufstellung der Marineflieger
Der Traum vom Fliegen ist so alt wie die Menschheit. Namen wie Wright, Lilienthal aber auch Zeppelin und Schütte-Lanz stehen für den Durchbruch an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert.
Nachdem sich die Kaiserliche Marine zunächst nur zögerlich mit der neuen Technik auseinandergesetzt hatte, begann sie ab 1909 die Verwendung von Luftschiffen und später auch Flugzeugen für ihre Zwecke in Erwägung zu ziehen. Mancher Offizier betrieb die Fliegerei bereits als Hobby: 1912 existierte in Wilhelmshaven bereits ein Seeoffizier-Luft-Club. Am 3. Mai 1913 verfügte Kaiser Wilhelm II. schließlich mit einer Allerhöchsten Kabinetts-Ordre die Aufstellung von Marinefliegerkräften in Berlin-Johannisthal und Putzig bei Danzig. Dieses Datum gilt seither als Geburtsstunde der Marinefliegerei in Deutschland.
1914 wurde in Wilhelmshaven die für die gesamte Nordsee zuständige Marine-Flieger-Abteilung II aufgestellt. Aber obwohl bis heute die Ortsbezeichnung »Fliegerdeich« in Wilhelmshaven darauf hinweist, ist die Verbindung der Jadestadt zu den Anfängen der Fliegerei weitgehend in Vergessenheit geraten.
Diesem Identitätsverlust will die neue Sonderausstellung im deutschen Marinemuseum ab dem 3. Mai 2013 entgegenwirken und die Geschichte der Marinefliegerei in Wilhelmshaven im Ersten Weltkrieg thematisieren: Im Verlauf des Krieges wuchs die Truppengattung rasch auf und setzte sich aufgrund der höheren Flexiblität und geringeren Kosten gegenüber dem konkurrierenden Waffensystem Luftschiff durch.
Zu Kriegsende zählten die Marineflieger mehr als 16.000 Mann, insgesamt verfügten sie über 2.138 Flugzeuge, von denen während des Krieges 1.166 verloren gingen.
Diese hohe Zahl an verlorenen Maschinen, hinter der sich eine weitaus größere Zahl an Toten verbirgt, verweist darauf, dass die Faszination des Fliegens, die der Ausstellungstitel mit dem bekannten Ausspruch »Nur Fliegen ist schöner!?« thematisiert, im Ersten Weltkrieg ihre Unschuld verlor. Daher das Fragezeichen hinter dem Ausspruch.
Für etliche der mehr als 2.000 Piloten wurde ihr Waffensystem zum Sarg, anderen brachten sie mit ihren Waffen den Tod, obgleich der Einsatzschwerpunkt der Marinefliegerkräfte in der Nordsee in der Aufklärung lag. Im Verlauf des Krieges lieferten sie sich aber immer öfter auch Gefechte mit feindlichen Seestreitkräften, besonders mit U-Booten und Zerstörern.
Wer sich der Lebenswelt und Alltagswirklich der Marineflieger annähern will, kommt um eine Betrachtung der Technik, die sie umgab, nicht umhin. Die frühen Flugzeuge besitzen in ihrer einfachen, auch für technische Laien verständlichen Holz- und Leinwandbauweise einen ganz eigenen Reiz und eine eigene Ästhetik, die jedoch nicht über ihren militärischen Zweck hinwegtäuschen darf. Originalexponate wie ein hölzerner Propeller und hölzerne Spanten lassen diese Ästhetik lebendig werden und weisen gleichzeitig auf die Verletzlichkeit und Anfälligkeit der filigranen Maschinen hin, von denen eine als Großmodell im Maßstab 1:4 als Leihgabe des Deutschen Museums München auch in der Ausstellung zu sehen sein wird.
Zu starker Wind, Seegang und schlechte Sicht schränkten ihre Einsatzleistung damals noch in erheblichem Maße ein und allzu oft wurde das Wetter – nicht der Kriegsgegner – Piloten und Beobachtern zum Verhängnis. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen zwei großformatige Fotoalben aus dem Nachlass des auf der Flugwerft Wilhelmshaven bis 1920 beschäftigten Werkmeisters Tonius Pollmann, die mehr Potential in sich bergen, als diese knappe Objektbeschreibung zunächst erahnen lässt.
Auf mehr als 200 Blättern dokumentieren sie in brillanter Qualität und mit hohem Detaillierungsgrad den Fertigungs- und Erprobungsprozess von Flugzeugen auf der Flugwerft in Wilhelmshaven. Als Großfotos in der Ausstellung geben sie dem Besucher einen plastischen Eindruck von der Lebenswelt der Flieger und Konstrukteure.
Schließlich sollen auch biografische Elemente einbezogen werden. Neben dem bereits erwähnten Werksmeister Pollmann wird auch das Schicksal der gefallenen Piloten thematisiert. Luftaufnahmen vom Jadebusen runden die Ausstellung ab und ermöglichen dem Besucher, einmal selbst Beobachter zu werden.
Die Ausstellung ist seit dem 3. Mai 2013, dem 100. Jahrestag der Kabinettsordre Kaiser Wilhelms II., zu sehen und ist zugleich Kooperationsprojekt des ortfriesischen Themenjahres „Land der Entdeckungen. Die Präsentationsdauer wurde bis April 2014 verlängert.